Christi Himmelfahrt und der Messianismus: Letzter Ausweg Sex

Das Warten auf die Erlösung hat Juden und Christen ins ewige Unglück gestürzt. Eine theologisch-philosophische Betrachtung zu Christi Himmelfahrt​.

Jesus breitet die Arme aus und steigt dem Himmel empor

Die Himmelfahrt Jesu in der Kirche Notre Dame de la Gorge Foto: UIG/imago

Das Christentum begann als eine jüdische Sekte, eine von vielen jüdischen Sekten, die sich in dem explosiven politischen Klima gegen Ende der Ära des Zweiten Tempels gegenseitig leidenschaftlich bekämpften. Anfangs wurde Jesus als eine Art Prophet und menschlicher religiöser Führer angesehen, doch später übernahmen die Christen die Geschichte vom Sohn Gottes, der auf die Erde kam, um die Menschheit zu erlösen.

Sein Tod am Kreuz bedeutete, dass die Welt tatsächlich erlöst wurde und dass wir von einem Zustand des Wartens auf Erlösung zu einem der tatsächlich verwirklichten Erlösung übergegangen sind. Aber dann schauten sich die christlichen Theologen um und sagten: Mist, alles bleibt mehr oder weniger beim Alten: Die Steuern sind hoch, die Lebenshaltungskosten bringen uns um, ganz zu schweigen von Krankheiten, Kriegen und der unerträglichen Tatsache, dass man am Ende sterben muss.

Daraufhin haben sie eine etwas gemäßigtere Haltung eingenommen: Ganz erlöst sind wir noch nicht, aber das wird bald passieren. Nur noch eine kleine Anstrengung. In der Zwischenzeit sollte man versuchen ein guter Mensch zu sein, der Kirche Geld spenden und nicht abtreiben. Damit ist das Christentum in dieselbe Falle getappt, in der sich das messianische Judentum seit der Zerstörung des Zweiten Tempels befindet: Der Messias kommt bald, und in der Zwischenzeit soll man die Gebote einhalten, viel beten und religiöse Parteien wählen. Oh, und die Frauen sollen ihre Körper in alle möglichen Lumpen hüllen, und die Männer sollen nicht an Sex denken.

Psychologisch bedeutet diese Sichtweise, dass unser Blick immer auf ein Zukunftsversprechen gerichtet ist, das sich nie erfüllen wird. Die Gegenwart ist nur ein Korridor zu einer Zukunft, in der alles gut sein wird, und in diesem Korridor leiden die meisten Menschen.

Hoffen auf einen Messias

Ab und zu bringt Gott eine Marienstatue zum Weinen, sonst tut er nicht viel für uns

Dieser Korridor wird aktuell von Leuten wie Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, Jihia al-Sinwar, der Chef der islamistischen Hamas im Gazastreifen, Recep Tayyip Erdoğan, Wladimir Putin und vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft von Donald Trump beherrscht. Die auf dem Campus der Columbia-Universität demonstrierenden Studenten bringen ihn definitiv näher zum Wahlsieg.

Wir können nur den Kopf neigen und hoffen, dass Gott sich endlich entschließt, den Messias zu schicken, denn sonst tut er nicht viel für uns. Ab und zu bringt er eine Marienstatue zum Weinen, aber was ändert das an unserer Situation in dieser Welt?

Das Judentum hat jahrtausendelang an dieser passiven, unterdrückenden Sichtweise festgehalten, und allein die Säkularisierung der Juden seit dem frühen 19. Jahrhundert hat es geändert. Die Christen fielen nicht in diese bösartige Passivität, denn sie mussten Länder verwalten, aber das psychologische Erbe dieser Position erlaubt es uns nicht, uns auf die Gegenwart zu konzentrieren, wirkliche Freude zu haben, wirklichen Frieden.

Wer beim Sex an Maximilan Krah denkt…

Ich gehe zum Beispiel durch den wunderschönen Grunewald und denke an Netanjahu, an Sinwar, an Maximilian Krah …. Philosophen wie Hegel meinten, wir sollten zwar in die Zukunft schauen, aber über die Zukunft in Begriffen wie Fortschritt und Aufklärung nachdenken. Vielleicht konnte man im 19. Jahrhundert noch davon ausgehen, dass sich die Menschheit ständig verbessert und weiterentwickelt. Heute ist das fast unmöglich.

Kann sein, dass in bestimmten Situationen dieses störende jüdisch-christliche Bewusstsein ausgeschaltet oder zumindest geschwächt wird. Zum Beispiel beim Sex. Wer beim Sex an Maximilian Krah denkt, ist wirklich verloren. Vielleicht bleibt ihm nichts anderes übrig, als Buddhismus zu praktizieren

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