Neue Maßnahme am Hamburger Hauptbahnhof: Bad Cops wollen auch die Guten sein

Seit sieben Wochen setzt Hamburg „Sozialraumläufer“ am Hauptbahnhof ein. Das Konzept ist umstritten, aber Behörde und Läufer ziehen positive Bilanz.

Ein Mensch sitzt auf dem Boden neben der Öffnung eines grünen Zauns

Sollen einander ergänzen: Sichtschutzzaun vor dem „Drob Inn“ und Sozialraum­läufer (nicht im Bild) Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Es hatte schon Kritik gehagelt, als Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) den Einsatz von „Sozialraumläufern“ rund um den Hauptbahnhof und die Drogenberatungsstelle „Drob Inn“ ankündigte. Denn es sollten keineswegs, wie der Name suggeriert, zusätzliche Sozialarbeiter auf die Straße gebracht werden, sondern Mitarbeitende eines Sicherheitsdienstes. Die Firma, die Staatsräte der Sozialbehörde und drei der 20 dort Beschäftigten traten nun am Donnerstag vor die Presse – und zogen nach den ersten sieben Wochen ein positives Fazit.

„Es ist unglaublich, wie dankbar die Menschen vor Ort sind, dass wir da sind“, sagte Tony Fleischer, Chef von „Pro Sicherheit“, die den zunächst auf acht Monate begrenzten Auftrag von der Stadt übernahm. „Wir sehen uns als Dienstleister, nicht als Türsteher“, sagte er.

Die Beschäftigten hätten durch die Sozialbehörde eine mehrtätige Vorbereitung erhalten, in der sie die Einrichtungen und Akteure vor Ort kennen gelernt hätten, und seien anschließend in Deeskalation geschult worden, die nur mit Worten passiere. „Nichtsdestotrotz versuchen wir, gewisse Regeln durchzusetzen.“

„Für mich persönlich ist es eine große Bereicherung, diese Arbeit aufzunehmen“, sagte Sozialraumläufer Kevin. Dass nicht mehr der Sicherheitsdienst, sondern der soziale Aspekt im Vordergrund stehe, sei seine „Motivation für diesen Job“. „Ich mache das, weil ich gern den Menschen helfe“, ergänzte Sozialläufer Carsten. Wie ihre Kollegin Bettina wollen sie nur mit Vornamen genannt werden.

Aggressionen kommen eher von den Nachbarn

Die Team läuft zu dritt in roten Jacken mit der Aufschrift „Sicher, sozial, vor Ort“ rund um den Hauptbahnhof. In zwei Schichten von sechs bis 14 und von 14 bis 22 Uhr sind sie auf den Beinen, laut Fleischer ohne Pfefferspray, Weste oder andere Utensilien zur Selbstverteidigung.

„Wir sind für alle Menschen da“, sagt Kevin, „für Obdachlose ebenso wie für Touristen, die nach dem Weg fragen.“ Etwa 70 Prozent der Zeit verbrächten die Teams vor der Drogenhilfe-Einrichtung „Drob Inn“. Man kenne schon etliche der Klienten mit Namen, habe neulich einem Mann, der nur in Socken herrumlief, zu warmen Schuhen verholfen, berichtet Bettina. Auch erste Hilfe bei Unterkühlung hätten sie schon geleistet.

Die Obdachlosen und Suchtkranken freuten sich, dass sie jemand zum Reden haben, sagt Kevin. „Viele werden ja ignoriert von vielen Leuten. Und wir sind halt da und reden mit denen.“ Aggressionen gebe es wenig. Wenn, dann wären es Nachbarn und Anwohner, die „ein bisschen gnatschig“ sind.

Insgesamt „über 1.000 Hilfestellungen“ hätten die Teams in den ersten sieben Wochen gegeben, sagt Fleischer. Das werde dokumentiert. Zu den Regeln, auf die sie hinweisen, gehört laut Staatsrat Tim Angerer, der mal mitgelaufen ist, das Männer nicht am helllichten Tag auf der Wiese urinieren, sondern die dort aufgestellte Toilette nutzen, dass sie den Müll nicht fallen lassen, sondern in den Behälter tun, oder dass eine Crackpfeife nicht im Hauseingang geraucht wird, sondern im „Drob Inn“.

Sozialarbeiter sollen Vertrauen nicht aufs Spiel setzen

An dem Sozialläuferkonzept hatte unter anderem die „Landesstelle für Suchtfragen“ deutliche Kritik geäußert. Der Bedarf für die Interventionsteams, zusätzlich zu Polizei und Straßensozialarbeit, sei nicht gegeben. Man müsse aufpassen, dass die Betroffenen nicht von zu vielen unterschiedlichen Stellen angesprochen werden und dies zu Belastung und Verdrängung führt, so eine Stellungnahme. Nicht vor den Hilfseinrichtungen, allenfalls vor dem ebenfalls seit Anfang März errichteten Sichtschutzzaun am August-Bebel-Platz könnte ein Mediationsdienst aktiv werden – dann und „bei der Stadtgesellschaft auch Voyeurismus ansprechen“.

Die Sozialbehörde hält dagegen, dass andere Städte in ähnlicher Lage wie Wien, mit solchen Interventionsteams gute Erfahrungen machten. Nur haben in Wien die dort Mitarbeitenden Berufe mit psychosozialem Hintergrund. Gefragt, warum denn für diese Aufgabe nicht zusätzliche Sozialarbeiter auf die Straße gebracht wurden statt fortgebildeter Security-Leute, sagt Staatsrätin Petra Lotzkat: „Wir wollten nicht, dass die den Teil der regelbasierten Ansprache übernehmen müssen. Weil Sozialarbeiter das Vertrauen für die Einzelarbeit verlieren würden.“ Es sei darum gegangen, an der Schnittstelle zwischen Polizei und Straßensozialarbeit etwas Neues zu probieren. „Wir wollen Sozialarbeit nicht überformen“, ergänzt Angerer.

Natürlich nehme man die Skepsis wahr; sei mit dem „Drob Inn“ und der Bahnhofsmission im Gespräch. „Das sind wichtige Partner, deren Sorgen wir ernst nehmen“, sagt Angerer. Es gebe wöchentliche Feedback-Schleifen zur Frage, ob es gut läuft. „Es ist eine Idee, da kann es sein, dass sie nicht funktioniert“, sagte Lotzkat. Im Gespräch vor dem Pressetermin mit den Sozialläufern hätten die drei sie sehr beeindruckt, „von der Haltung her“.

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